Wohngebäudeversicherungen versuchen häufig ihren Kunden sogenannate Obliegenheiten zum Schutz der versicherten Sache aufzuerlegen, z.B. zur Vermeidung von Überschwemmungs- bzw. Rückstauschäden. Das OLG Frankfurt am Main (Az.: 7 U 71/21) hat am 13.05.2022 entschieden, dasss die dem Versicherungsnehmer mittels Versicherungsbedingungen auferlegte Obliegenheit Rückstausicherungen „funktionsbereit“ zu halten, mangels Bestimmtheit nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Die Versicherung durfte daher keine Leistungskürzung um 50 % wegen grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers vornehmen.
1. Der Fall
Im Fall hatte ein Versicherungsnehmer gegen seine Wohngebäudeversicherung auf Zahlung von rund EUR 12.000 geklagt, weil die Versicherung den Wasserschaden wegen Rückstaus zuvor nur im Umfang von 50 % übernahm. Vorausgegangen war eine aufgetretene Feuchtigkeit im Keller des klägerischen Hauses durch aufsteigendes Wasser, das aus den Abflüssen heraustrat. Die Ursache der Feuchtigkeit war der Ausfall der Rückstausicherung bzw. der Hebepumpe, die in einem Drainageschacht angebracht war. Hierdurch sollte das Wasser nach außen in den Straßenkanal gepumpt werden. Der Kläger meldete der Versicherung umgehend den Schaden und machte die zur Schadensbeseitigung erforderlichen Kosten von rund EUR 24.000 geltend. Im Rahmen der Leitungsprüfung nahm die Versicherung sodann eine Leistungskürzung wegen grober Fahrlässigkeit von 50 % vor. Die Versicherung berief sich dabei auf ihr Leitungskürzungsrecht gemäß Ziffer 10 a) GB 3307 (Besondere Obliegenheiten), wonach der Versicherungsnehmer zur Vermeidung von Überschwemmungs- bzw. Rückstauschäden bei rückstaugefährdeten Räumen Rückstausicherungen anzubringen und funktionsbereit zu halten hat.
2. Die Entscheidung
Der 7. Zivilsenat des OLG Frankfurt am Main hat geurteilt, dass dem Kläger gegenüber seiner Versicherung ein Anspruch auf Zahlung einer weiteren Entschädigung für den Wasserschaden in Höhe von rund EUR 12.000 zusteht. Zur Begründung führte das Gericht an, dass in der entsprechenden Wohngebäudeversicherung Elementarschäden durch Rückstau versichert seien (GB 3308 Ziffer 1 a, 2b). Außerdem sei eine Leistungskürzung wegen grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung nicht berechtigt, da eine Wartungsobliegenheit nicht wirksam vereinbart wurde. Der Versicherungsnehmer sei nach Ziffer 10 a GB 3307 zwar zur Vermeidung von Überschwemmungs- bzw. Rückstauschäden zur Anbringung von Rückstausicherungen verpflichtet und müsse diese auch funktionsbereit halten. Dieser Obliegenheit zum Einbau einer Rückstausicherung war der Versicherungsnehmer auch nachgekommen. Allerdings sei die Obliegenheit, die Rückstausicherung „funktionsbereit“ zu halten, mangels Bestimmtheit wegen eines Verstoßes gegen das gesetzliche Leitbild im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Eine „klare Handlungspflicht“ sei für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer hier nicht ersichtlich. Es bleibe unklar, ob von ihm eine Wartungs- und nicht nur eine bloßen Reparaturverpflichtung abverlangt wird. Weder eine Wartungs- noch eine Instandsetzungsobliegenheit würden in der Klausel explizit benannt. Das Gericht forderte zumindest eine klare Vorgabe von Wartungsintervallen zur hinreichenden Konkretisierung der sanktionsbewehrten Wartungsobliegenheit. Daher scheide im konkreten Fall eine Obliegenheitsverletzung mangels wirksam vereinbarter Wartungsobliegenheit aus. Im Ergebnis wurde dem Versicherungsnehmer der weitere Ersatzanspruch von rund EUR 12.000 zugesprochen.
3. Kanzlei PSS Rechtsanwälte
Rechtanwalt Dr. Perabo-Schmidt von der Kanzlei PSS Rechtsanwälte aus Wiesbaden begrüßt dieses Urteil. Wegen der schwerwiegenden Folgen von Obliegenheitsverletzung muss nämlich das auferlegte Tun oder Unterlassen (hier: Aufrechterhaltung der Funktionsbereitschaft) ausdrücklich und zweifelsfrei werden. Nur so kann der Versicherungsnehmer erkennen, wie er seinen Versicherungsschutz aufrechterhalten kann.
Die Kanzlei PSS Rechtsanwälte aus Wiesbaden vertritt bundesweit versicherungsrechtliche Fälle. Wir freuen uns auf Ihren Kontakt.